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04. Feb 2015

Streichung der Beihilfe für RPJ (Ring politischer Jugend)

Sehr geehrter Herr Vorsitzender,

die Fraktion der Alternative für Deutschland im Rat der Stadt Dortmund stellt zu o.g. Tagesordnungspunkt der nächsten Sitzung am 05.02.2015 folgendem Zusatzantrag:

Beschlussvorschlag:

Der Ausschuss für Finanzen Beteiligungen und Liegenschaften empfiehlt dem Rat der Stadt Dortmund zu beschließen, die Städtische Beihilfe für den Ring Politischer Jugend (RPJ) und die angeschlossenen Mitgliedsverbände für die 2015 bis 2020 aus dem Haushaltsplan der Stadt Dortmund zu streichen.

Begründung:

Mit Beschluss vom 17.09.2014 hat der Ausschuss für Kinder, Jugend und Familie (Drucksache Nr.: 13182-14) beschlossen, wie seit vielen Jahren der o.g. Organisation und deren angeschlossene Mitgliedsverbände (Jungsozialisten, Junge Union, Grüne Jugend, Junge Liberale, Linksjugend) eine Beihilfe von insgesamt 23.600,00 € zu gewähren, die sich je Parteijugendorganisation aus einem Sockelbetrag von 750,00 € und einem Aufstockungsbetrag je Mandatsträger im Rat der Stadt Dortmund von 221,76 € errechnet. Dies führt dazu, dass z.B. die Jungsozialisten 8.733,00 € erhalten, wohingegen die Jungen Liberalen nur 1.194,00 € erhalten. Schon die Abhängigkeit der Förderhöhe von der Anzahl der Mandatsträger erscheint zumindest fragwürdig.

Jedenfalls sind derartige Zuwendungen ohne gesetzliche Grundlage, die hier nicht vorliegt, rechtswidrig. Es handelt sich ohne gesetzliche Grundlage um einen Fall von indirekter Parteienfinanzierung. Exemplarisch sei aufgelistet, was z.B. die Organisationen mit den Beihilfegeldern im Jahre 2013 veranstaltet haben:

  • Eine Klausurtagung der Jusos im Jugendgästehaus Aasee in Münster wurde durchgeführt.
  • Es wurde durch die Jusos ein Werbe-Faltzelt angeschafft.
  • Es fand eine 30-Jahr-Feier des JuLis-Kreisverbandes Dortmund statt.
  • Eine internationale Bildungsfahrt der JU nach Straßburg (vom 25.10. – 29.10.2013) wurde durchgeführt.
  • Auch eine internationale Bildungsfahrt der Grünen Jugend nach Amsterdam (vom 22.07. – 29.07.2013) fand statt.


Mithin haben vorliegend parteipolitische Dinge im Vordergrund gestanden. Keineswegs handelte es sich um Veranstaltungen, die einen allgemeinen über den parteipolitischen Zweck hinausgehende Funktion hatten.

In diesem Sinne hat das Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg in seinem Urteil vom 14. März 2012 entschieden (Az. OVG 6 B 19.11).

Das OVG hatte bezüglich der Zuwendungen durch das Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend zu entscheiden und festgestellt, die staatliche Subventionierung der Jugendorganisationen der politischen Parteien bedürfe einer Regelung durch förmliches Gesetz. Die Vergabe von Zuwendungen nach einer verwaltungsinternen Richtlinie sei rechtswidrig.

Zur Begründung führte das OVG u.a. aus:

„Nach dem in Artikel 20 Abs. 2 GG festgelegten Demokratieprinzip geht alle Staatsgewalt vom Volke aus. Sie wird vom Volke in Wahlen und Abstimmungen und durch besondere Organe der Gesetzgebung, der vollziehenden Gewalt und der Rechtsprechung ausgeübt. Der Gestaltung des Prozesses der politischen Willensbildung kommt dabei für die Beteiligung der Bürger an der Staatsgewalt herausragende Bedeutung zu. Diese Bedeutung für die freiheitliche demokratische Grundordnung hat das Bundesverfassungsgericht mehrfach betont. Danach habe sich der Grundgesetzgeber, indem er die freiheitliche demokratische Grundordnung geschaffen habe, für einen freien und offenen Prozess der Meinungs- und Willensbildung des Volkes entschieden. Dieser Prozess müsse sich vom Volk zu den Staatsorganen, nicht umgekehrt von den Staatsorganen zum Volk vollziehen. Den Staatsorganen sei es mit Blick auf das Demokratieprinzip grundsätzlich verwehrt, sich in Bezug auf diesen Prozess zu betätigen (BVerfG, Urteil vom 19. Juli 1966 - 2 BvF 1/65 -, BVerfGE 20, 56, 99, Rn. 117 bei juris sowie Urteil vom 9. April 1992 - 2 BvE 2/89 -, BVerfGE 85, 264, 287 f., Rn. 93 ff. bei juris). Dies schließt die Gewährung staatlicher Zuwendungen an Organisationen und Verbände, die sich an diesem Willensbildungsprozess beteiligen, nicht per se aus. Das zeigt sich gerade an der vom Bundesverfassungsgericht - in den aufgezeigten verfassungsrechtlichen Grenzen - für zulässig erachteten Finanzierung der politischen Parteien. Diese haben maßgebliche Bedeutung für die politische Willensbildung. Darauf hat auch das Bundesverfassungsgericht in den zitierten Entscheidungen hingewiesen. Schon diese herausgehobene Bedeutung des Prozesses politischer Willensbildung für das Demokratieverständnis des Grundgesetzes spricht allerdings für die Annahme, dass Art und Umfang einer staatlichen Einflussnahme durch Subventionierung von an diesem Prozess maßgeblich beteiligten Verbänden und Organisationen der Regelung durch förmliches Gesetz bedarf.

Hieran gemessen bedarf auch die vorliegend fragliche Subventionierung der parteipolitischen Jugendverbände einer gesetzlichen Regelung. Denn sie nehmen an diesem Willensbildungsprozess in ganz ähnlicher Weise wie die jeweiligen Mutterparteien teil. Sie haben daher, soweit sich ihr Tätigkeitsfeld mit dem ihrer Mutterpartei überschneidet, eine vergleichbare Bedeutung für die politische Willensbildung wie diese selbst. Darüber hinaus knüpft sich hieran die weitere, verfassungsrechtlich bedeutsame Frage, welchen Umfang eine solche Subventionierung haben darf.

Die politischen Jugendorganisationen nehmen drei Hauptfunktionen wahr. Dies sind zum einen die Vertretung der Partei und ihrer Ziele bei den Jugendlichen, weiter die Vertretung der spezifischen Jugendinteressen in der Partei und in der Gesellschaft sowie schließlich die Funktion als Nachwuchsorganisation der Partei (Westerwelle, Das Parteienrecht und die politischen Jugendorganisationen, 1994, S. 33). Die Jugendorganisationen dienen damit quasi als Mittler zwischen ihrer Zielgruppe und ihrer Partei (a.a.O., S. 34). In diesem spezifischen Bereich nehmen sie an der politischen Arbeit der Mutterpartei teil wie diese selbst.

Sie wirken mit bei der Erstellung politischer Programme und Zielsetzungen. Sie bringen sich in den öffentlichen politischen Diskurs mit ihren Forderungen und Zielen ein und lassen junge Menschen an demokratischen Entscheidungsprozessen teilhaben. Es gibt vielfach organisatorische Verflechtungen mit der jeweiligen Mutterpartei. So sind etwa Doppelmitgliedschaften bei den Jugendorganisationen und ihren Mutterparteien möglich und verbreitet. Jedenfalls auf Bundes- und Landesebene sind Funktionsträger in aller Regel gleichzeitig auch Mitglieder der Mutterpartei. Vertreter der Jugendorganisationen werden regelmäßig bei der Aufstellung von Bewerberlisten zur Wahl berücksichtigt. Im Wahlkampf sprechen die Jugendorganisationen gezielt Jungwähler an, um für die Mutterpartei und eine Mitgliedschaft in ihr zu werben. Teilweise bestehen obligatorische Mitgliedschaften der Vorsitzenden der Jugendorganisation in den Parteivorständen oder gar eine satzungsgemäße Weisungskompetenz der Parteiführung für die Jugendorganisation (zum Ganzen: Redmann, Möglichkeiten und Grenzen der Beschränkung der Parteifreiheit und -gleichheit diesseits eines verfassungsgerichtlichen Verbotsverfahrens, 2004, S. 137; ferner: Westerwelle, a.a.O., S. 52 ff.). Die Jugendverbände der politischen Parteien haben damit einen nicht unerheblichen Einfluss auf den Prozess der politischen Willensbildung insgesamt.

Ob daraus zu Recht - wie in Teilen des Schrifttums vertreten wird (so etwa Morlok in: Dreier, Grundgesetz-Kommentar, 2. Auflage, Art. 21, Rn. 42; Westerwelle, a.a.O., S. 65 ff.; Redmann, a.a.O., S. 135 ff.) - die Folgerung zu ziehen ist, diese Jugendorganisationen fielen in den Anwendungsbereich des Artikels 21 GG, der die Rechtsstellung der politischen Parteien regelt, obwohl sie selbst keine Parteien im Sinne der Vorschrift sind, weil sie nicht unmittelbar bei Wahlen mit eigenen Kandidaten antreten, bedarf an dieser Stelle keiner Vertiefung. Denn ihre Bedeutung für den Prozess der politischen Willensbildung besteht unabhängig von dieser Frage.

Der dargelegten Einflussnahme der politischen Jugendverbände auf den politischen Willensbildungsprozess lässt sich nicht entgegenhalten, diese würden mit den hier fraglichen Zuwendungen Aufgaben außerhalb ihrer parteipolitischen Tätigkeit wahrnehmen, sie agierten hinsichtlich der politischen Willensbildung also gewissermaßen „neutral“. Insofern erscheint es bereits fraglich, ob die parteipolitische Arbeit der Jugendverbände sich überhaupt von überparteilicher, gemeinnütziger Jugendarbeit abgrenzen lässt (dies ausdrücklich verneinend: Klein, Die Rechenschaftspflicht der Parteien und ihre Kontrolle, NJW 2000, S. 1441, 1443 a.E.; Redmann, a.a.O., S. 138 f.; Westerwelle, a.a.O., S. 125 m.w.N.; ferner, die mit der hiesigen Fragestellung vergleichbare Abgrenzbarkeit politischer Bildungsarbeit der Parteien von deren allgemeiner Parteiarbeit ausdrücklich verneinend, BVerfG, Urteil 19. Juli 1966, a.a.O., S. 112, Rn. 145 f. bei juris). Selbst wenn man eine solche Abgrenzung für möglich hielte, wäre das im vorliegenden Verfahren ohne Bedeutung. Denn das BMFSFJ trifft eine derartige Unterscheidung bei Vergabe der Zuwendungen nicht.“

Nichts anderes gilt vorliegend für die durch den Ausschuss gewährten Beihilfen. Ohne gesetzliche Grundlage können derartige Beihilfen nicht gewährt werden. Sie sind rechtswidrig.

Der Bundesgesetzgeber hat dem Urteil durch Einfügung des § 83 Abs. 1 Satz 2 SGB XIII (Sozialgesetzbuch 8) Rechnung getragen.

Auf Landes bzw. kommunaler Ebene fehlt eine solche Vorschrift.

Die Beihilfe ist daher aus rechtlichen Gründen zu streichen.



Gelesen: 2725 mal Letzte Änderung am: Mittwoch, 04 Februar 2015 15:37
Peter Bohnhof

Peter Bohnhof, 1962 in Dortmund geboren, verheiratet, 1 Sohn. Beruflicher Werdegang: Nach dem Studium der Rechtswissenschaften zunächst Referent bei einem Arbeitgeber- und Wirtschaftsverband. Seit 1998 selbständiger Rechtsanwalt in Dortmund.

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