Darf sich Dortmunds Oberbürgermeister mit dem umfangreichen städtischen Internetauftritt „Dortmund.de“ eine Art „Ersatzpresse“ schaffen, weil ihm die Berichterstattung des Dortmunder Zeitungsmonopolisten Ruhr Nachrichten missfällt? Darf er wohl nicht. Das jedenfalls gab am Freitag die 3. Zivilkammer unter Vorsitz von Richter Tim Schlözer zu erkennen. Verhandelt wurde am Landgericht Dortmund eine bundesweit beachtete Klage des Verlags Lensing-Wolff (Ruhr Nachrichten) gegen die Stadt Dortmund.

Im Saal 135 trafen sie beide aufeinander, die beiden Dortmunder Lokalmatadore: Ullrich Sierau, Oberbürgermeister der Stadt und bezahlt von der öffentlichen Hand, Lambert Lensing-Wolff, als Selbstständiger lebend von den Erträgen des Mediengeschäfts und weiteren prosperierenden unternehmerischen Tätigkeiten. Jeder der beiden Gladiatoren steht in dem Klageverfahren für seine ganz eigene Lebens- und Arbeitswelt: Der eine für ein mit öffentlichen Geldern finanziertes Medium ohne Marktrisiko, der andere für ein rein privatwirtschaftlich geführtes Medienkonglomerat, das Geld verdienen muss, wenn es überleben will.

Der Herr im Hause Ruhr Nachrichten möchte sich mit seiner Klage zu Recht wettbewerbsverzerrende Konkurrenz der öffentlichen Hand vom Leibe halten. Das ist schon deshalb nicht abwegig, da die Zeiten für die Verlage noch härter geworden sind. Die Auflagenzahlen der Print-Medien befinden sich seit Jahren in einem dramatischen Sinkflug, mit den Internetablegern wird noch immer nicht wirklich Geld verdient. Das wiederum veranlasste einen Akteur der städtischen Juristen-Riege zu der bissigen Bemerkung: „Diejenigen Medienhäuser, die nur darauf warten, dass die Kunden die Zeitung ins Haus bestellen, die sind schon tot und wissen das nur noch nicht“.

Neben der kommerziellen Bedeutung des Verhandlungsgegenstandes für die Verlagsbranche ist das übergeordnete Ziel der Lensing-Wolff-Klage gegen die Stadt Dortmund aber möglicherweise noch bedeutsamer: „Die Kommune kann und darf nicht zum presserechtlichen Korrektiv werden. Das muss verhindert werden“, betonte Lambert Lensing-Wolff. Letztlich dürfe die Stadt nur über ihre eigenen städtischen Themen und von ihr selbst organisierte Veranstaltungen berichten. Alles was darüber hinaus gehe, verstoße gegen geltendes Recht.

Natürlich komme es in Teilbereichen der Berichterstattung durchaus in einigen Fällen zu „Überlappungen“, sagte der Vorsitzende Richter. Allerdings müsse jede Einflussnahme des Staates, sei es unmittelbar oder auch nur subtil, verhindert werden.

Es war etwa Stufe 4 (von 6) auf der Sierau-Empörungsrichterskala: Trotz seiner noch immer schwer angeschlagenen Stimmbänder machte Dortmunds Oberbürgermeister vor Gericht seinem schon lange tief sitzenden Ärger über den „Monopolisten“ Luft, der der Stadt einen „Maulkorb verpassen“ wolle. In der Zeitung, die er persönlich längst abbestellt habe, komme „das Positive in der Stadt zu kurz“. Vieles werde auch gar nicht berichtet oder es werde sogar falsch dargestellt. Einer der Stadt-Anwälte ergänzte: „Es werden von der Zeitung Themen ausgespart. Wenn etwas fehlt, muss das die Kommune ergänzen dürfen“.

Einmal in Fahrt, bekam auch die „Westfälische Rundschau“ von Sierau ihr Fett weg: Eine „Zombie-Zeitung“ sei das. Außen stehe „Westfälische Rundschau“ drauf, innen sei dann ein Ruhr Nachrichten-Lokalteil drin.

In der Verhandlung bot die Stadt überraschend im Rahmen einer Unterlassungserklärung an, künftig auf kommerzielle Werbung und auf die Sportberichterstattung zu verzichten. Dazu wollte der Prozessbeauftragte und Medienrechtler Dr. Michael Rath-Glawatz für den Verlag Lensing-Wolff  GmbH & Co.KG aber noch nicht Stellung nehmen. Das Urteil wird am 8. November verkündet. Den Streitwert sieht das Gericht bei weit unter 500000 €.

Fazit aus der Sicht der AfD Dortmund:

Der Oberbürgermeister möchte also auf „Dortmund.de“ am liebsten eine nicht eingeschränkte „sachliche Berichterstattung aus gesellschaftlichem Interesse“, Lambert-Lensing-Wolff meint, die Kommune dürfe „nicht zum presserechtlichen Korrektiv werden“.

Gemessen an der von der AfD in Dortmund erlebten Realität erfordern beide angeführten Positionen der Parteien ein Statement.

Angesichts der zahleichen dokumentierten und von der AfD-Fraktion gerügten Verstößen des SPD-Oberbürgermeisters gegen seine Neutralitätspflicht muss es die AfD fürchten, wenn OB Sierau oder ein künftiger Nachfolger zunehmend und weit umfänglicher über Dortmund.de presseähnlich freier agieren könnte. Hier ginge es dann wohl weniger um mögliche direkte Negativberichterstattung über die AfD, sondern vielmehr um eine Aufwertung von Aktivitäten und Gruppen im politischen Gegner-Umfeld der AfD. Wie eine ungebremste „Berichterstattung aus gesellschaftlichem Interesse“ des Oberbürgermeisters gegenüber der AfD ausfallen würde, kann sich wohl jeder vorstellen.

Lambert Lensing-Wolf sagt: „Die Kommune kann und darf nicht zum presserechtlichen Korrektiv werden“. So weit, so richtig. Aber warum, werter Herr Lensing-Wolff, lassen Sie es zu, dass die Ruhr Nachrichten im Mantelteil und im Lokalteil als „politisches Korrektiv“ eingesetzt wird? Trotz Massen von Anträgen und Initiativen berichtet die Lokalredaktion so gut wie gar nicht mehr über die AfD. Selbst schlichte Pressemitteilungen von Vorstandswahlen werden inzwischen nicht mehr abgedruckt. Stattdessen aber jede Menge Berichte konkurrierender Parteien. Wer vor Gericht so hehre Pressefreiheits-Werte beschwört, kann doch wohl nicht den Lesern im Ernst vorspiegeln wollen, die AfD gebe es in Dortmund nicht.

Heiner Garbe, AfD-Fraktionsvorsitzender im Rat der Stadt Dortmund